Rettungsmaßnahmen der Notenbanken: Was sind die Risiken?


Mit den Rettungsmaßnahmen der Regierungen und Notenbanken sollen unter anderem unschuldig in Not geratene Unternehmen kraftvoll unterstützt werden. Jedoch sind in der aktuellen Diskussion auch die Risiken dieser Maßnahmen zu bedenken, denn: Grundsätzlich schafft es keinen Wohlstand, Geld aus dem Nichts zu schaffen, wie es die Notenbanken praktizieren. Jedenfalls ist das in der Geschichte bislang nicht gelungen. Wenn Notenbanken Billionen US-Dollar oder Euro in den Markt schleusen, um Wertpapiere aufzukaufen, dann führt dies zu einer riesigen Umverteilung von Vermögen und Wohlstand innerhalb der Volkswirtschaft.

Das neu erschaffene Kapital löst eine spezielle Form der Inflation aus: Wenn Geld über Anleiheankäufe in den Markt gelangt, sinkt das Zinsniveau und dann steigen die Vermögenspreise in der Volkswirtschaft. Es kommt zur sogenannten „Asset Price Inflation“, also der Inflation bei Kapitalanlagen. Von den gestiegenen Aktien-, Anleihen- und Immobilienpreisen profitieren besonders die großen Investmentfonds und Vermögensverwaltungen. Der Hauptprofiteur ist damit bislang die finanzielle Oberschicht der Gesellschaft. Die Zeche dafür zahlen die Mieter (höhere Immobilienpreise ziehen höhere Mieten nach sich) und die Halter von Bargeld und Sichteinlagen bei Banken (Nullzinsen). Nach anfänglichen Kurssteigerungen wird mittel- und langfristig auch der Markt für festverzinsliche Wertpapiere immer unattraktiver. Pensionskassen und Versicherungen stellt dies vor enorme Herausforderungen, gerade wenn es gilt, für Altersvorsorgeprodukte mit konservativer Anlagestruktur attraktive Erträge zu generieren.

Wenn nun durch die Inflation bei Kapitalanlagen die Umverteilung von „unten“ nach „oben“ stattfindet, hat dies auch große Auswirkungen auf die Inflation der Verbraucherpreise: Denn die vermögenden Bürger konsumieren nicht mehr, nur weil ihr Vermögen ansteigt. Die Bürger mit geringem Vermögen würden gerne mehr konsumieren, aber können es nicht, da höhere Mietzahlungen und höhere Rücklagen für die Altersvorsorge höhere Konsumausgaben stark einschränken. Ohne deutliche Steigerung der Nachfrage am Markt erhöhen sich die Preise für Konsumartikel auch nicht. Das Ergebnis ist ein geringes Wirtschaftswachstum inklusive einer geringen Inflationsrate bei den Verbraucherpreisen.

Warum also nicht gleich das neu geschaffene Geld breiter über die gesamte Bevölkerung verteilen? Was sind mögliche Szenarien, wenn der Staat jedem Bürger 10.000 € oder mehr einfach schenken würde?

Es würde wohl kurzfristig das Wirtschaftswachstum befeuern, aber neben den Preisen von Kapitalanlagen würden auch die Verbraucherpreise anziehen. Die Bürger würden in der Folge mit weiter steigenden Preisen rechnen und größeren Ausgaben zeitlich nach vorne ziehen. Dies würde die Nachfrage mitsamt der Inflation noch weiter anheizen. Damit könnte das Vertrauen in die Kaufkraft der heimischen Währung schnell sinken und der Stein der Inflation käme erst richtig ins Rollen. Dies wäre für die Notenbank der Worst-Case. Sie müsste dann nämlich das Geldangebot am Markt deutlich reduzieren, also: Anleihekäufe einstellen und Anleihen verkaufen, parallel dazu auch die Zinsen anheben. Diese Reaktion würde dann den Finanzmarkt in starke Turbulenzen versetzen, da der bis dato von der Notenbank gestützte Anleihemarkt wohl schnell kollabieren würde. Bezogen auf die Eurozone wären die Folgen fatal, wenn damit Refinanzierungskosten der Unternehmen und des Staates stark ansteigen würden. Denn aufgrund der enormen Verschuldung einiger Unternehmen und vieler Staaten könnte das ganze System zusammenbrechen.

Vor diesem Hintergrund wird das Dilemma der Notenbank klar.

Auf der einen Seite scheint sie gezwungen, das Zinsniveau niedrig halten und eine günstige Refinanzierung der Euro-Staaten und der Unternehmen zu ermöglichen. Ein Nebeneffekt ist das Überleben von Firmen, die eigentlich nicht profitabel sind und nur wegen des geringen Zinsniveaus noch existieren, sogenannte „Zombie-Firmen“. Sie sorgen für mehr Preisdruck in den Märkten und halten damit ebenfalls die Inflationsrate bei den Verbraucherpreisen niedrig.

Auf der anderen Seite zeigen sich die langfristigen Gefahren aus dieser Politik immer deutlicher:

  • Ungebremste Überschuldung, insbesondere bei Staat und Unternehmen.
  • Das Prinzip der freien Marktwirtschaft wird ausgehebelt.
  • Fehlende Risikovorsorge der Unternehmen für Krisenzeiten, da der Staat ohnehin im Notfall helfen wird. Stattdessen werden Gewinne für Aktienrückkaufprogramme verwendet.
  • Durch die extrem geringen Zinsen entstehen Zombiefirmen. Und es werden Investitionen getätigt, die sich unter „normalen Bedingungen“ nicht rechnen würden. Das reduziert den Innovationsdruck und sorgt letztlich für geringere Produktivität in der Volkswirtschaft (vgl. „Produktivität in Deutschland – Messbarkeit und Entwicklung“ vom Kieler Institut für Weltwirtschaft)
  • Sinkende Realinvestitionen; insbesondere stehen die geringen Renditeerwartungen Direktinvestitionen aus dem Ausland entgegen.
  • Ungleiche Vermögensverteilung in der Gesellschaft und zwischen den Euro-Ländern führt zu steigendem politischem Konfliktpotential.

Dementsprechend sollte die Notenbank nicht immer nur auf kurzfristige, negative Ereignisse mit einer noch expansiveren Geldpolitik reagieren und anschließend bis zur nächsten Krise den Status quo beibehalten. Sie sollte eine langfristige Strategie verfolgen, wie sie schrittweise aus dieser Geldpolitik wieder aussteigen und zu einer freien Marktwirtschaft zurückkehren will. Diese Strategie sollte konsequent verfolgt und transparent der Öffentlichkeit vermittelt werden.

Dann würde der Markt dies antizipieren und die langfristigen Zinsen (ab 5 Jahre) würden wieder anziehen. Dadurch würden die Unternehmen ihre Investitionen zeitlich vorziehen, um sich jetzt noch die niedrigen Zinsen zu sichern. Die Staaten müssten Reformen beschließen, damit sich die zukünftige Staatsverschuldung und die Zinslast in Grenzen halten. Die Zombiefirmen würden keine langfristige Refinanzierung mehr stemmen können und Pleite gehen. Produktive Wettbewerber würden dadurch ihre Marktanteile steigern und hätten mehr Spielraum für Wachstum und Innovation. Die kurzfristigen Spekulationen auf dem Aktien-, Anleihen- und Immobilienmarkt würden deutlich zurückgehen, wenn klar ist, dass die unkonventionellen Maßnahmen zur unendlichen Expansion der Geldmenge der Vergangenheit angehören. Das würde zwar zu deutlichen Kursrückgängen auf den Anlagemärkten führen. Allerdings würden dann wieder die fundamentalen Werte und Kennzahlen der einzelnen Unternehmen in den Vordergrund rücken und es würde langfristige Investments in Aktien nach sich ziehen. Die Banken und die restlichen Finanzinstitute könnten mit einer steileren Zinsstruktur mittel- und langfristig wieder profitabler werden. Das Vertrauen in unser System und in die Märkte würde wieder steigen. Im Fokus der Marktteilnehmer wäre dann das Wachstum in der Realwirtschaft und nicht die Notenbank mit ihren geldpolitischen Maßnahmen zur Steigerung der Vermögenspreise.

Dazu müssten allen voran die EZB, die Fed und die Bank of Japan sich eingestehen, dass der eingeschlagene Weg der letzten 10 Jahre in die falsche Richtung zeigte und eine schrittweise Umkehr vollziehen. Lieber sofort, selbstgesteuert und auf „freiwilliger“ Basis in kleinen Schritten als in den nächsten Jahren unter dem Druck der Inflation und der Gefahr eines Schocks im gesamten System.

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